Streifen und Punkte

Am vergangenen Wochenende war ich in Osnabrück zu den Destreza Tagen. Chris und Malte, die Organisatoren des Events und Köpfe hinter dem deutschen Destreza Projekt www.cuadratura-del-circulo.de, haben es sich zur Aufgabe gemacht, das noble spanische Fechten mit dem Rapier in Deutschland bekannt und zugänglich zu machen. Was bietet sich hier besser an, als Rapierenthusiasten aus der ganzen Republik einzuladen, damit diese sich freudig ein ganzes Wochenende lang auf alle erdenklichen Arten abstechen können? Richtig: nix! Dass ich auch eine Einladung erhalten hatte freut mich umso mehr, da ich im Grunde mit dem Verdadera Destreza nur wenig am Hut habe – meine Quelle ist Godinho, der je nach Verdadera Destreza Stil als „gemeiner“ oder „vulgärer“ Fechter eingeordnet wird.

Das Wochenende war geprägt von jeder Menge Duellen die durch gut ausgewählte Workshops ergänzt wurden. Am Samstag gab es zwei Workshops zu Vertretern des Verdadera Destreza. Am Sonntag folgte dann das Kontrastprogramm mit einem Quervergleich zum zeitgenössischen Meister George Silver (vielen vielleicht als geistiger Vater des true times Konzeptes bekannt) und schließlich mein Workshop zu den Kerntechniken von Godinho. Es war sehr interessant, 4 teilweise sehr unterschiedliche und teilweise identische Ansätze zu ein und demselben Thema verfolgen und erschließen zu können. Vor allem der Austausch mit Nico, der den Input zu Silver gab, war extrem aufschlussreich und interessant für mich und hat eine neue ergänzende Quelle zum teilweise schwer zugänglichen Godinho erschlossen, die mich in der Zukunft definitiv weiter beschäftigen wird! Ein passender Austausch mit Schwert und Rotella und einige Interessante Ideen hierzu ergänzten das Silver-Godinho-Joint-Venture hervorragend. Und ja, ich gebe es zu: ich gucke seit dem Wochenende nach Backswords…

Die vielen Duelle gaben mir die Möglichkeit, mein aktuelles Können mit dem Rapier auf den Prüfstand zu stellen und lieferten recht eindeutige Ergebnisse. Gemessen an der Tatsache, dass ich in letzter Zeit kaum mit dem Rapier trainiert habe und darüber hinaus bei uns wenn dann gegen Schwert& Buckler, Seitschwert, Messer oder Säbel (nur nicht gegen andere Rapiere) fechte, bin ich sehr zufrieden. Viele der Techniken von Godinho funktionieren erschreckend gut und andere ergeben mittlerweile immer mehr Sinn, weil mein Timing besser wird. Auf der anderen Seite habe ich aber durch viele Treffer auch sehr deutlich gemerkt, dass das Training gegen andere Rapierfechter einfach fehlt und es meinem Repertoire an diversen Bewegungen und Automatismen mangelt. Jedenfalls sagen das die diversen blauen Flecken, die sich lutigerweise auf der linken Körperseite streifenförmig und rechts in Punktform verteilen.

Unterm Strich kann ich sagen, dass ich einen großen Respekt vor dem sehr eleganten, beinahe tänzerischen Stil der Verdadera Destreza Fechter habe, dass sie sich die Arbeit mit diesen, meiner Meinung nach überkomplizierten Quellen machen. Auf einen Punkt, „8 Fuß entfernt und im Winkel xy zu treten“ ist mir nichts – da bleibe ich bei dem pragmatischen Ansatz von Godinho, dem es genügt mir zu erklären dass ich gut stehe wenn ich nicht getroffen werde. Leichter gesagt als getan, wie so oft und dazu noch ganz offensichtlich, wenn ich mir besagte Streifen und Punkte ansehe. In diesem Sinne gibt es noch viel zu lernen und ich freue mich schon sehr auf die Destreza Tage im nächsten Jahr!

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